Adieu-Aufwiedersehen?

Adieu-Aufwiedersehen?

Kalkutta hat mich wieder in Beschlag genommen. Vom Frozen Garden und dem ASHA Project haben wir uns gestern verabschiedet nach einem sehr abwechslungsreichen letzten Arbeitstag. Mit Freude konnte ich noch einen Tag in der Ambulanz in Bhojerat mit den Kollegen aus dem Kalkuttaprojekt arbeiten. Es zeigt mir auch noch mal deutlich den höheren medizinischen Standart und die durch langjährige Erfahrung hohe Professionalität der Mitarbeiter …

wartende Patienten in der Ambulanz in Bhojerat

Aber nun mein abschließender Bericht zum ASHA Projekt.

Um die vielfältige Arbeit der Community health volunteers (CHV) besser einschätzen zu können, wollten wir an den Hausbesuchen in den Dörfern teilnehmen. Susmita, meine Übersetzerin, erklärte sich sofort bereit uns zu begleiten , denn ohne sie hätten wir nur eingeschränkte Informationen aufgrund der Sprachbarrieren erhalten. Wir besuchten vier Familien in Maliari und Kumarojole.

Hausbesuch in Maliari
Hausbesuch in Maliari

Die Kinder waren leicht erkältet, alle älteren Patienten hatten Bluthochdruck, einige Diabetes, die Dauermedikamente bekamen sie über das ASHA Projekt für maximal 2 Wochen. Das Hospital im ca. 10 km entfernten Minakhan sollte die weitere Verordnung , der staatlich subventionierten Medikamente, fortsetzen. Die alten Patienten schüttelten aber den Kopf, das dies nicht geht, es müsste jemand aus der Familie sie fahren, denn zu Fuß ist es zu weit. Sie waren sehr dankbar, dass die Ambulanz von ASHA jetzt in ihrer Nähe und damit gut erreichbar ist.

Erschütternd war die Geschichte einer 70 -jährigen erblindeten Frau. Sie war eine Woche zuvor in der Ambulanz in Kumarjole vorstellig. Den Leib bloß mit einem Tuch bedeckt, sie fühlte sich schwach und bat um Essen, sie wäre so hungrig. Eine Erblindung bestände erst seit ca. 1 Monat , der Sohn würde sich nicht um sie sorgen. Sie lebt allein in einer einfachen Strohhütte. Gleichzeitig bestand ein deutlicher Bluthochdruck , ob dieser akut zur Erblindung geführt hatte, war nicht eruierbar.

Strohhütte der Patientin

Die CHV besorgten erstmal etwas zu essen, die medikamentöse Einstellung erfolgte und es wurde von den CHV eine junge Frau aus dem Dorf gefunden, die die Medikamentengabe und allgemeine Unterstützung bei der Versorgung der alten Dame geben sollte. Nun konnten wir im Hausbesuch sehen, wie sie lebt und ob die Hilfe regelmäßig erfolgt. Der Blutdruck hatte sich verbessert, die Medikamente waren regelmäßig gereicht worden. Der alten Dame ging es besser. Hungrig war sie immer noch, da ihr Essen , welches sie geschenkt bekamt, vom Sohn wieder weggenommen würde. Zunächst kauften wir etwas zu essen und die CHV sicherten eine weitere soziale Unterstützung der liebenswerten alten Dame über die Dorfstrukturen zu. Gern hätte ich sie noch einmal besucht, um mit einem beruhigten Gewissen nach Hause zu fahren.

Hausbesuch in Kumarjol

Auf jeden Fall konnten wir durch die Hausbesuche erfahren, wie wichtig die Basisarbeit der CVH in den dörflichen Strukturen ist. Dies hatte sich schon zu Coronazeiten und nach den Zyklon Verwüstungen 2021 bewiesen , indem sie Hygienemaßnahmen, Impfkampagnen und Sicherung der Nahrungsverteilung an Bedürftige in dieser Zeit organisiert und umgesetzt haben. Damit ist eine qualifizierte Ausbildung der CHV fundamental wichtig und sollte weiterhin ein ganz wichtiges Anliegen sein. Auch eine Basisausstattung mit Blutdruckmessgerät, Fieberthermometer ist dafür u.a. wichtig .

Ich dem kurzen Zeitraum von vier Wochen und als Piloteinsatz kann ich nur ein augenblickliches Resümee geben.

Die ärztlichen Anforderungen waren ohne Problem zu lösen . Sie lagen auf ein deutlich niedrigeren Niveau , aufgrund des geringeren Patientenaufkommen, kaum Kinderbehandlungen, wenig schwer kranke Patientenfälle. Der Ernährungszustand der Patienten war in der Regel gut. Dafür bieten auch die ländlichen Strukturen mit Reisanbau, Fischzucht, Tierhaltung ( Hühner, Enten, Ziegen, Rindern), Bananenanbau und Kokospalmen viel bessere Ernährungsgrundlagen als in der Stadt.

typische Landschaft um Deuli

Wir sahen keine Patienten mit Tuberkulose, obwohl wir bei einigen indikationsbezogen schon Sputumtests durchführten. Hypertonie- und Diabetesscreening wurde von uns nach Vorhandensein eines BZ Messgerätes regelmäßig durchgeführt. Wir konnten einige Patienten dadurch neu einstellen. Chronisch obstruktive Lungenerkrankungen (COPD) traten gehäuft auf, die therapeutischen Möglichkeiten waren in dem Projekt für uns sehr unbefriedigend. Viele Patienten klagten über Gelenk- und Rückenschmerzen , sicherlich bedingt durch die schwere körperliche Arbeit und dem ständigen Kontakt mit Nässe als Farmer /Fischer/ Bauarbeiter. Patienten mit Tropenkrankheiten , wie Malaria, Dengue, Typhus etc sahen wir nicht, dafür aber Hauterkrankungen , wie Tinea und Ekzeme häufiger .

Unsere Arbeitszeit begann bis auf zwei Tage in der Woche erst am Vormittag. Geschuldet war dies sicherlich mit durch die längeren Anfahrtswegen in die weit verstreuten Dörfer. Für mich war aber nicht nachvollziehbar, warum man nicht eher in den Ambulanzen startete, zumal die staatlichen Schulen, in denen wir praktizierten, normaler Weise auch erst 11 Uhr mit dem Unterricht beginnen.

Es war für uns nicht erkennbar, welche Patienten über die CHV in die Ambulanz kamen und welche aus eigenen Interesse vorstellig wurden.

Eine weitere Begleitung der Patienten z. Bsp. aufgrund von Medikamentenneueinstellung wurde mündlich mit der entsprechenden CHV abgesprochen. Besser wäre eine auf der Patientenakte dokumentierter Vermerk (z. Bsp. Counciling) wie das schon im Kalkuttaprojekt erfolgt.

Die medizinische Versorgung mit Medikamenten aus dem ASHA Pool , ein Notfallset für entsprechende Notfälle müsste meines Erachtens noch angepasst werden. Urinsticks halten wir als Basisdiagnostikum für sinnvoll.

Die Ausgabe von Medikamenten sollte überdacht werden, da die Pat bei Aushändigung von zwei Wochen Dosen aus unserer Erfahrung entweder schnell wieder in der Ambulanz aufschlagen oder die Medikamente dann aller 2 Tage oder nur gelegentlich einnehmen , damit diese 4 Wochen reichen.

Aufgrund des Pilotprojektes ergaben sich für uns mehr strukturelle Auseinandersetzungen und Gespräche mit den ASHA Mitarbeitern. Diese waren stets bemüht unseren Fragen und Wünschen nachzukommen. Es war schon fast eine “ Überfürsorglichkeit“. Eigene Aktivitäten , wie selbstständige Fußwege von der Ambulanz ins Hotel oder Selbstversorgung mit Essen waren zunächst nicht erwünscht und musste sensibel und nicht als Kritik an Ihren Bemühungen kommuniziert und erarbeitet werden.

Die Versorgung mit Lebensmitteln wurde von ASHA organisiert, es ist aber auch kein Problem in wenigen Minuten zu Fuß das Dorf mit dem täglich frischen Obst- und Gemüsemarkt zu nutzen. Auch das Fischangebot sah sehr lecker und frisch aus. Leider hatten wir keine Möglichkeit es auszuprobieren.

Fischstand in Deuli
Gemüsemarkt in Deuli

So hoffen wir auf die neuen , guten Erfahrungen der nachfolgenden Kollegen im ASHA Projekt.

Landschaft um Deuli


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