Arbeitsalltag
Die ersten zwei Wochen des Einsatzes sind nun schon vergangen. Umgangssprachlich könnte man von Bergfest sprechen. Dabei sehe ich uns gerade erst beim Anstieg .
In einer Arbeitswoche , von Sonntag bis Donnerstag, besuchen wir 6 verschiedene Ambulanzen . An einem Tag führen wir die Schulung der Volontärs, wie schon beschreiben, durch. Die Ambulanzen in Mohunpur und Kumarjole werden erstmalig als Standorte von ASHA angefahren.
Die Patientenzahlen an den neuen Standorten werden sich sicherlich noch entwickeln. Letzten Montag war bedingt durch den nahenden Zyklon mit starken Regenfälle kein Hund freiwillig auf die Straße zu bewegen. Selbst für uns war die Fahrt nach Mohunpur, insbesondere die Flussüberquerung, etwas abenteuerlich. Durch die starke Strömung und dem böigen Wind trieb das Boot ab und der Bootsführer hatte mit dem schwachen Motor alle Mühe, uns vor dem Schlick am Ufer zu bewahren. Durchnässt aber glücklich erreichten wir doch den Anlegesteg.
Die Sprechstunden beginnen teilweise erst gegen Mittag. Dies liegt zu einem an den längeren Anfahrtswegen bis zu zwei Stunden und an den Standort der Ambulanzen in Schulgebäuden. Donnerstags sind wir sogar in einer Moschee!
Untersuchungsliegen gibt es nicht, dafür werden Schulbänke zusammengerückt oder ein Tuch auf den Boden gelegt. Nicht bloß eine Herausforderung für den Patienten! Aber alle ertragen es geduldig. Generell ist die medizinisch -technische Ausrüstung der Ambulanzen sehr minimalistisch . Neben dem Gewicht, der Temperatur , den Blutdruck können wir inzwischen auch den Blutzucker messen. Auf die Urin-Teststreifen warten wir noch !
Unsere Patienten aus dem ländlichen Milieu leiden meistens an Verdauungsstörungen , wie Sodbrennen , Verstopfung aber auch akuten Infekten ,Rückenschmerzen Hautpilz und all body pain! Alle sind 2 oder 3 mal gegen Corona geimpft. Getestet wird hier niemand. Bei chronischen Erkrankungen stehen Hypertonie und Diabetes im Vordergrund.
Kinder haben wir bisher wenige in Vergleich zu den Ambulanzen in Kalkutta gesehen. Auch Tuberkulose scheint eine deutlich geringerer Rolle auf dem Lande zu spielen. Einzelne Tests haben wir durchgeführt, bisher ohne Befund . Die Entfernung zum Labor ist für die Patienten mitunter zu weit, so dass sie empfohlene Untersuchungen nicht durchführen lassen.
Die Philisophie von ASHA besteht in der Zuführung des Patienten zum staatlichen Gesundheitswesen. Im Einzelnen heißt das , dass zum Beispiel ein Diabetiker Medikamente für nur 10 Tage erhält und dann soll er sich an die staatliche Ambulanz im Krankenhaus wenden. Dabei soll ihn der Volontär unterstützen. Die Realität zeigt uns zur Zeit, dass der Patient , wenn die Medikamente aufgebraucht sind und es ihm nicht schlecht geht, bis zum nächsten Kontakt in der Ambulanz nicht versorgt ist. Dann beginnt das Spiel von vorn!
Hier brauchen ASHA und auch wir viel Geduld , mit dem Ansatz die Patienten dem staatlichen Gesundheitswesen zuzuführen und durch Aufzeigen des Bedarfes an medizinischer Versorgung den Staat zum Ausbau der Versorgung vehement unter Druck zu setzen. Hoffen wir, dass nicht zu viele Patienten dabei auf der Strecke bleiben und wir Ärzte das individuelle Schicksal nicht aus den Augen verlieren.