Der 9. November – Kalkutta am Rande eines Zyklons
Heute ist der 9.November . In Kalkutta ein Tag , wie wir ihn eigentlich zu Hause erwarten-grau, regnerisch, stürmisch-wolkenverhangener Himmel. Ein Tag, um das Haus nicht verlassen zu wollen. Ein Taifun säumt die Grenze zwischen den Sunderbans , an der Mündung des Ganges und dem Hinterland. Die Palmen biegen ihre üppigen Wedel im stürmischen Wind. Selbst der laute Autoverkehr , das Hupen wird von den Regengüssen gedämpft. Die schreienden Vogelstimmen sind verstummt….

Wir sind sehr froh, dass unsere Unternehmung , der Besuch des St. Elisabeth Homes , ein Mädcheninternat , abgesagt wurde und wir auch allen anderen , wie Museumsbesuche ,widerstanden.
Grau und regnerisch haben auch wir den 9.November vor 30 Jahren in Erinnerung, aber nur das Wetter betreffend. Im Gegensatz zu heute , war eine Melancholie jedoch weit weg. Ganz im Gegenteil ! Es war und ist ein ganz besonderer Tag in unserem Leben. Der Mauerfall hat uns ein neues Leben geschenkt , einen weiteren Horizont – nicht nur räumlich.
Das wir heute hier in Kalkutta sein können, ein Stück unseres reiches Lebens an unsere Patienten weitergeben können, ist auch eine Folge dieses Mauerfalls. Welch ein Geschenk!
Wie sehr wünschen wir uns, dass auch die Mauern in dieser indischen Welt gebrochen werden, damit wir eines Tages nicht mehr in die Slums von Kalkutta fahren müssen.
Selbst im vierten Einsatz in diesem Moloch ist die Armut nicht weniger erschütternd. Die erbärmlichen, ärmlichen Lebensumstände nicht vorstellbar und nicht zum Aushalten.
Vieles verstehen wir nicht ,auch nicht die Leidensfähigkeit der Menschen aber wir verspüren Mit-leid und möchten dies zeigen , durch ein winziges Stück Unterstützung und somit hoffentlich für einen Augenblick auch Linderung .
Unsere Sprechstunden haben sich seit unserer Ankunft stetig gefüllt und somit auch das Gefühl am richtigen Ort zu sein.

Wir mussten wieder erleben und lernen wie hilflos man in Notfallsituationen ist, das eine totale medizinische Indikation nicht heißt, dass die Patienten im Krankenhaus aufgenommen werden. Auch , wie spät schwer kranke Patienten erst den Weg zu uns finden, wo man sich fragt, warum sie nicht schon eher kamen.

Wie gut , dass wir ein sehr starkes Team sind und uns gegenseitig unterstützen.
Doch heute Abend denken wir an Euch alle daheim in Deutschland . Alle hier in Kalkutta Vereinten aus Ost und West !
Eure Ina und Bettina